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Wenn ein Wespenvolk die digitale Telekommunikation im Dorf lahmlegt

Kürnbach. (db) "Das war noch ein kleines Wespenvolk, da habe ich schon ganz andere Dinge erlebt", erzählt Gerhard Zentner. Er ist Sachverständiger für Schädlinge und Umsiedlung von Wespen bei der NeckarCom Telekommunikation in Stuttgart. Diesen Job macht er neben seinem Beruf als Nachrichtentechniker. Nun steht er vor dem offenen Modulkasten der die Elektronik für den Richtfunkmast in Kürnbach steuert und hält die Reste zweiter leerer Waben hoch.

Die Tiere hatten ganze Arbeit geleistet und die digitale Telekommunikation über die NeckarCom im Schwarzrieslingdorf für Tage lahmgelegt. Nun sind sie weg. "Man muss die Wespen mindestens zwei Kilometer weit entfernt an einen geeigneten Platz in der Natur umsiedeln, sonst kommen sie wieder" erläutert Zentner. Doch von diesen Tieren haben seine Technikerkollegen die sich derweil emsig um die Schadensbehebung der Anlage kümmern die Nase gestrichen voll.

Sieben Mal sind sie gestochen worden. Bereits am Sonntagabend waren die beiden nach der Störungsmeldung nach Kürnbach gefahren, um die Ursachen vor Ort zu lokalisieren und erlebten dort beim Öffnen des Modulkastens den unfreundlichen Empfang durch den aggressiven Wespenschwarm. Die waren wohl durch die Lüftungsschlitze ins Innere gelangt und hatten sich dort häuslich eingerichtet. Auch am Montag wurden die Diagnosearbeiten durch die Wespen behindert, weshalb sich die Arbeiten auf das Notwendigste und auf den gegenüberliegenden Richtfunkmasten in Großvillars beschränkten. Durch den Ausfall eines Lüfters und die Überhitzung der Module arbeitet die Elektronik nur noch temporär und gab nach zehn Minuten den Dienst wieder auf. Am Dienstagvormittag war dann der Umzugstermin für die Wespen. Erst dann zeigte sich das ganze Schadensbild nach dem Reinigen des Modulkastens. Ein solches Ausmaß hatten die beiden Experten der NeckarCom selten erlebt. Der finanzielle Schaden ist noch nicht abzuschätzen. Der personelle Aufwand wird als hoch bewertet. Die Instandsetzungsarbeiten gestalteten sich schwierig.

Am späten Nachmittag waren die Einschubplatinen für den Richtfunk noch so heiß, dass sie nur mit Handschuhen herausgezogen werden konnten. Spinnenteile und sonstiger Unrat kamen in den einzelnen Elementen zum Vorschein. Einer der Spezialisten hält ein Bauteil in der Hand und sagt: "Das müssen wir auch noch per Kurier anfordern". Obwohl die Hoffnungen auf einen schnellen Instandsetzungserfolg dadurch geschwunden waren, gab es gut zwei Stunden später die gute Nachricht: Kürnbach ist wieder online.


Waibstadter Mühlgraben wird hergerichtet

Waibstadt. (aj) In einem neuen Erscheinungsbild wird sich demnächst der Mühlgraben im Bereich der ehemaligen Mühle Beichert präsentieren. Seit das Stauwehr des Schwarzbaches beim Hotel-Restaurant "Waibstadter Hof" und beim sogenannten "Schnakenpark" außer Betrieb genommen wurde, war der Mühlgraben kein schöner Anblick mehr. Zuvor hat die Familie Beichert ihr Wasserrecht, das zum Betreiben ihrer Mühle erforderlich war, an das Wasserrechtsamt des Landratsamtes Rhein-Neckar-Kreis bzw. dem Land Baden-Württemberg zurückgegeben.

Die Stadt Waibstadt hat daraufhin die Fläche des Mühlgrabens käuflich erworben, um eine Umgestaltung des Wasserlaufes vorzunehmen. Erworben wurden auch die Grundstücke im Anschluss an das Areal der Familie Beichert, der sogenannten Landzunge zwischen Schwarzbach und Mühlgraben, um einen ökologischen Ausgleich in diesem Bereich vorzunehmen. Dieser Geländestreifen bleibt sich vollkommen der Natur überlassen.

Um der europäischen Wasserrahmenrichtlinie der ökologischen Durchgängigkeit der Gewässer gerecht zu werden, ist es erforderlich den Mühlgraben auf das Niveau des Schwarzbachbettes zirka zwei Meter abzusenken, um somit zu ermöglichen, dass vom Schwarzbach aus Wasser in den Mühlgraben abgeleitet werden kann und somit wieder Wasser durch den Mühlgraben fließt, so der technische Betriebsleiter Kurt Spiegel. Damit ausreichend Wasser in den Mühlgraben abgeleitet werden kann, ist der Einbau von Flussbausteinen im Schwarzbachbett erforderlich. Allein schon wegen dieser europäischen Wasserrahmenrichtlinie hat Bürgermeister Joachim Locher darauf gedrängt, dass dieser Missstand endlich beseitigt bzw. behoben wird. Zunächst wurden Sicherungsmaßnahmen an der Mühlgraben-Brücke in der Hauptstraße durch Einbau einer Betonfließgerinne und von Fundamenten vorgenommen. Bisher abgerissen wurden die Fußstege, das Streichwehr und die Leitwand neben dem Mühlrad-Gebäude. Die abgetragenen Sandsteine werden für die Wiedergestaltung und der Gebäudesicherung im Bereich des Mühlgrabens wieder verwendet.

Die mit der Baumaßnahme beauftragte Baufirma Hauck hat auf dem Gebiet des Wasserbaues gute Erfahrungen, was sich hier bei diesem sensiblen Bauprojekt sehr positiv auswirkt. "Wir rechnen mit einer Bauzeit von drei Monaten", so der Bauleiter. Solange kommt es zu Behinderungen in der Hauptstraße.

Vor dem Epfenbacher Rathaus-Bau wird nach Bomben gesucht

Von Christiane Barth

Epfenbach. "Altlasten" unterm ehemaligen Rathausanbau? Ein großes Erdloch klafft dort, wo fast 70 Jahre lang das administrative Zentrum der Gemeinde das Ortsbild prägte. Bevor das Rathaus in neuer Statur aus der Erde gestampft wird, muss der Baugrund nach eventuellen Kriegs-Rückständen sondiert werden. Weltkriegsbomben unterm Rathaus? Bürgermeister Joachim Bösenecker schlägt die Hände über dem Kopf zusammen: "Eine reine, versicherungstechnische Vorsichtsmaßnahme". Ein Verdacht auf noch nicht aufgefundene Kampfmittel bestehe überhaupt nicht.

Blindgänger seien im gesamten Dorf nicht zu erwarten: "Epfenbach war militärisch völlig unbedeutend". Dass nun dennoch Luftbildaufnahmen vom Baugrundstück in Auftrag gegeben werden, sei einzig und allein zur Absicherung der Tiefbaufirmen erforderlich, erklärt der Bürgermeister. Deren Berufsgenossenschaft poche auf die Luftbildauswertung, bevor sich die Bagger in die Erde graben. Denn gebuddelt werden muss tief. Vier bis fünf Meter unters Erdreich müssen Betonpfähle errichtet werden für das Fundament des Neubaus - eine bautechnische Antwort auf den losten, schlechten, mit viel Sand durchmischtem Baugrund.

Epfenbach zähle aber sicher nicht zu einer Verdachtsfläche in Sachen verschütteter Kampfmittel. "Auch im Tiefflug wurden hier keine Bomben abgeworfen". Längst habe man Archivmaterial untersucht, Zeitzeugen befragt. Konsens unisono: "Im Ort wurden keine Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg abgeworfen. "Auch, als die Amerikaner kamen, gab es keinen Artilleriebeschuss".

Falls bei der Luftbildauswertung wider Erwarten doch etwas Verdächtiges aufgespürt werden sollte, müsste das Areal mit großen Metalldetektoren durchkämmt werden. Doch davon geht Bürgermeister Bösenecker ganz und gar nicht aus. Vielmehr ist er sicher, dass nach der Luftbildauswertung mit dem Neubau des Rathauses begonnen werden kann. Zeitgleich starte auch die Sanierung des alten Rathauskerns. Im September sei es vermutlich soweit.

Der Schiri, der 1899 Hoffenheim in die Bundesliga pfiff

Von Hans Joachim Of

Sinsheim. Der Rasen in der Rhein-Neckar-Arena war natürlich auch gestern Abend beim ersten Saisonspiel der "Hoffemer" gegen RB Leipzig wieder top in Ordnung. Der ehrenamtliche Greenkeeper Heinz Becker hat bei der Pflege mitgeholfen. Doch dieser Mann aus Eppelheim hatte für die TSG 1899 auch noch in anderer Hinsicht schon einmal eine große Bedeutung. Vor 27 Jahren war’s.

Weil der heute 74-jährige, ehemalige Schiedsrichter Heinz Becker angeblich "Hoffe" verpfiff, stieg Dietmar Hopp bei der TSG Hoffenheim mit seinen Millionen ein. Alles begann am 9. Juni 1989, als sich im Kraichgaustädtchen Elsenz beim spannungsgeladenen Relegationsspiel um den Klassenverbleib in der Kreisklasse die Teams aus Hoffenheim und Stebbach gegenüberstanden. Der damalige Referee Heinz Becker pfiff in der 75. Minute beim Spielstand von 2:2 einen, aus Sicht der Hoffe-Fans, unberechtigten, Elfmeter. Die TSG verlor die hektische Begegnung mit 2:3 Toren und stieg ab.

Ein Pfiff, der viele Jahre später sogar die Bundesliga in Aufruhr versetzen sollte. Warum? "Der frühere Hoffenheim-Spieler Dietmar Hopp hatte sich nach längerer Zeit wieder einmal unter die Zuschauer gemischt und sich das entscheidende Spiel angeschaut", erinnert sich Becker. Hopp, so wird von Zeitzeugen berichtet, fieberte, litt und trauerte nach 90 Minuten.

Nur einen Tag nach dem unglücklichen Abstieg telefonierte er mit dem Präsidenten der TSG und bot seine Unterstützung - zunächst durch Bälle und Trainingskleidung - an. Einige Jahre später sollte, wie man weiß, ein ganzes Stadion hinzukommen. Der frühere Spielausschussvorsitzende und aktuell seit über 20 Jahren als TSG-Präsident tätige Peter Hofmann damals: "Ich glaube, diese schmerzliche Niederlage war ausschlaggebend, dass uns Dietmar Hopp fortan als Mäzen zur Seite stand. Wir taten ihm einfach leid".

Und Heinz Becker (der über 30 Jahre lang als Spielleiter in der Oberliga für die SG Heidelberg-Kirchheim und in der Verbandsliga für den FC Bammental tätig war)? Gegenüber einer großen deutschen Zeitung meinte er bei einem Interview einst lachend: "Also bin ich Schuld, dass Hoffenheim heute in der Bundesliga spielt." Auch Dietmar Hopp erinnert sich: "Es war an dem Tag, als wir mit der SAP in Karlsruhe die erste öffentliche Hauptversammlung hatten. Auf dem Heimweg bin ich spontan zum Spiel gefahren. Ich weiß nicht, ob ich Hoffenheim auch so unterstützt hätte, wenn wir nicht abgestiegen wären".

Dem Schiedsrichter habe er jedoch keine Schuld gegeben, heißt es. Heinz Becker, der im Hauptberuf als Heizungsmeister über 45 Jahre Jahre lang bei der US-Army in Heidelberg als Supervisor für alle Heizungs- und Klimaanlagen verantwortlich war, im Rückblick: "Vor dieser Schicksalsbegegnung kam jemand in meine Kabine und meinte, Dietmar Hopp von der SAP sei da".

Bis heute wusste er nicht warum, außer, dass sein Pfiff die Partie entschied. Inzwischen hatte sich Heinz Becker längst zwei Dauerkarten für die Spiele von 1899 Hoffenheim besorgt, war Fan geworden und ist zudem seit Anbeginn in der Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena als ehrenamtlicher Greenkeeper "in einem super Team" tätig. Bei jedem Heimspiel versammelt Head-Greenkeeperchef Maik Grimm aus St. Leon-Rot seine rund ein Dutzend hauptberuflich und ehrenamtlichen Rasenpfleger aus der ganzen Region zur Lagebesprechung.

"Unser Rasen, so sagen auch Experten, zählt zu den besten Plätzen in der Bundesliga", gibt Hoffenheims "Aufstiegshelfer" Heinz Becker abschließend zu Protokoll.

Pfiffige Konstruktion gegen Kartoffelkäfer

Gemmingen/Eppingen. (apo) Paff, paff, paff - links und rechts gibt es dumpf raschelnde Ohrfeigen, dass es dem hübschen Kerl ganz schwindlig im schwarz-gelben Köpfchen wird. Ohnmächtig fällt der Krabbler ins eiserne Kästchen, seiner Lieblingsspeise beraubt und mit Hunderten seiner Art den Feuertod entgegensehend. Die Rede ist vom Kartoffelkäfer, der früher ganze Ernten vernichtet hat. Dieser Gefahr ist der Schmied auf Gut Schomberg ganz erfinderisch zu Leibe gerückt. Er konstruierte ein Kartoffelkäfersammelgerät, das heute bei Geflügellandwirt Rainer Schuhkraft in der Scheune steht.

Das imposante Teil ist überraschend leicht von zwei Männern zu tragen. Mit dem "Schiffle im Gräbele" wird das höhenverstellbare Gerät zwischen den Kartoffellanzen hindurchgeführt. Links und rechts durchkämmen konische, beweglich angebrachte Latten die Kartoffelpflanzen wie ein Pflug. Die schwarz-gelb gestreiften Käfer werden im wahrsten Sinne für ihre Fresssucht "abgewatscht" und landen in eisernen rechteckigen Schalen. Wenn die voll waren, ging es ab auf den Scheiterhaufen am Feldrand, wo sie letztmals auffliegend in den Flammen verknisterten.

"Alle Käfer konnte man so zwar nicht vernichten, aber die Population war erheblich eingedämmt", erzählt Rainer Schuhkraft, der die Ländereien von Gut Schomberg, samt landwirtschaftlichen Gerät gekauft hat. Dort wurden im und nach dem Krieg etliche Hektar Kartoffeln angebaut. Jedes Jahr aufs Neue wurden die Felder von der Kartoffelkäferplage heimgesucht. So ein saftig grünes Feld ist für den sechsbeinigen Nimmersatt ein wahres Schlaraffenland. Manchmal saßen 50 Käfer auf einem Busch und ließen nicht eher von ihm ab, bis nur noch die kahlen Stängel aus dem Boden ragten. Besonders die Larven waren sehr gefräßig, macht Schukraft die Dimension der Bedrohung deutlich.

Im Dritten Reich richtete man sogar einen Kartoffelkäfer-Abwehrdienst wegen des Schädlings ein. Unter dem Slogan "Sei ein Kämpfer, sei kein Schläfer, acht auf den Kartoffelkäfer" schickte man ganze Schulklassen auf die Felder, um dem Käfer händisch den Garaus zu machen. Das Gerücht, dass die Alliierten die Käfer über den Feldern abgeworfen hatten, hielt sich hartnäckig und konnte nie ganz entkräftet werden. Trotzdem ist es kaum vorstellbar, dass der Ami-Käfer Teil einer biologischen Kriegsführung war. Auch die DDR-Führung nahm in Zeiten des Kalten Krieges die Plage zum Anlass, um das imperialistische Feindbild zu nähren.

Eng mit dem Kartoffelanbau verbunden ist auch die Fachwerkstadt, wo die nahrhafte Knolle immer noch liebevoll "Kadoffl" genannt wird. Hier pflegen immer noch kleine Selbstvermarkter wie Kurt Schlimm den Kartoffelanbau als Selbstvermarkter. Der sieht die Bedrohung durch den Schädling ganz gelassen und sagt: "Die wird es immer geben." Ganz außer acht lassen sollte man die Gefahr allerdings nicht, denn der Leptinotarsa decemlineata (Zehnstreifen-Leichtfuß) schädigt massiv die Blattmasse. "Der Kartoffelkäfer kann den Ertrag erheblich reduzieren oder sogar ganz vernichten", macht Schlimm deutlich. Wenn man dem Befall rechtzeitig mit der chemischen Keule begegnet, dann sei der Käfer aber heute kein Thema mehr.

Angelbachtals Bürgermeister ist nach 30 Jahren nicht amtsmüde

Angelbachtal. (ram) 30 Jahre und kein bisschen amtsmüde: Am 1. September kann Bürgermeister Frank Werner sein 30-jähriges Jubiläum in der Kommunalverwaltung feiern. "Auf dem Amt" der Gemeinde Karlsdorf-Neuthard (Kreis Karlsruhe) hatte er seine berufliche Laufbahn als Gemeindeinspektoranwärter im Jahr 1986 begonnen.

Dabei war ihm die Verwaltungstätigkeit keineswegs in die Wiege gelegt worden. Etwas unentschlossen sei er bei der Berufswahl gewesen, blickte Frank Werner im Gespräch mit der RNZ zurück. Eine Alternative wäre damals noch der Studiengang der Wirtschaftsgeografie gewesen, verrät er.

Nach verschiedenen Stationen der Ausbildung im Landratsamt Karlsruhe und dem Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl wurde Frank Werner schließlich in den zwölfmonatigen Wehrdienst eingezogen. Nach der Grundausbildung arbeitete er auch dort in der "Amtsstube", erzählt er lächelnd.

Gut ein Jahr lang war Werner danach im Rechnungsprüfungsamt der Stadt Mannheim tätig, bevor er zur Gemeinde Ubstadt-Weiher wechselte. Von 1995 bis zu seiner Wahl als Bürgermeister von Angelbachtal im Jahr 2008 leitete Frank Werner das Hauptamt im Kronauer Rathaus. Rückblickend habe er vor 30 Jahren genau die richtige Entscheidung getroffen, erzählt Werner in seinem Amtszimmer im Eichtersheimer Rathaus. Schnell habe er festgestellt, dass er seinen Platz eher in einer kleineren Gemeinde mit Bürgernähe habe, nicht in einer Stadt mit einer riesigen Verwaltung.

Höhepunkt im beruflichen Werdegang? Hier muss der 49-Jährige nicht lange zögern: Die Wahl zum Bürgermeister von Angelbachtal natürlich. Abgesehen vom Umzug nach Angelbachtal veränderte sich dabei allerdings einiges: "Mal schnell etwas einkaufen gehen, geht heute kaum mehr," gibt er zu, "rasch kommt man nämlich mit jemandem ins Gespräch, der ein Anliegen hat."

Aber genau diese Bürgernähe hat Frank Werner gerne, wenngleich er zugeben muss, dass es immer einen gewissen Spagat aus "Amt, Mensch und Familie" gibt. Die Hobbys (Frank Werner ist leidenschaftlicher Musiker, spielt verschiedene Instrumente und singt) und der Sport bleiben dabei leider oft auf der Strecke. Daran wird sich vermutlich auch in Zukunft wenig ändern: Im November kandidiert der Jubilar für eine zweite Amtszeit als Angelbachtals Bürgermeister.

Bierbrauer aus der Region wollen beim Wettbewerb "Hop Growers of America" mitmischen

Bad Rappenau. (end) Das ist einmal eine Ansage: Hopfenstopfer-Erfinder Thomas Wachno beteiligt sich mit rund 15 anderen kleinen Privatbrauereien an einem Brau-Wettbewerb, der bei Liebhabern von so genannten "Craft Biere" ohne Zweifel einen Zungenschnalzer auslöst: Aus den vier Grundzutaten der Bierbraukunst will er einen besonderen Gerstensaft kreieren, der vielleicht bald durch viele Kehlen bei den Liebhabern dieses Nischenprodukts fließt.

Doch die Herausforderung stemmt der Braumeister aus der Kurstadt nicht alleine: Mit ins Boot hat er seine Braumeisterkollegen Thomas Majorosi (Eichbaumbrauerei Mannheim) und Lutz Wirsching (Heidelberger Brauerei) geholt, "wir sind eng befreundet und arbeiten kollegial zusammen, bei uns gibt’s kein Konkurrenzdenken", begründet Wachno die Verbindung. Bei der Herausforderung geht es genauer um den "Hop Growers of America" Wettbewerb, ausgelobt von amerikanischen Hopfenanbauern. Diese suchen das beste deutsche "West Coast IPA" - ein Starkbier mit besonderer Geschmacksnote. Und der Hintergrund für den Wettbewerb ist denkbar profan: "Hopfenzüchter aus den USA wollen auf deutschem Boden Fuß fassen und damit auch bekannter in der Brauereiszene werden", erklärt Thomas Majorosi.

Obwohl ein Bier nach dem Reinheitsgebot nur aus den vier Grundzutaten Hopfen, Malz, Hefe und Wasser bestehen darf, gibt es einige Tausend Geschmacksnuancen durch die gezielte Auswahl der Rohstoffe, erklärt Braumeister Lutz Wirsching weiter. Dabei reicht das Spektrum beispielsweise vom Hopfen vom Mandelaroma bis zum Beerengeschmack, "es sind die ätherischen Öle des Hopfens, die sind geschmacksbestimmend und für das Aroma verantwortlich". Das ist die eigentliche Kunst des Bierbrauens: die richtigen Aromen zusammen zu bringen. Auf dem weltweiten Markt sind rund 200 Sorten Hopfen und um die 1000 Sorten Hefe im Angebot. Für den Wettbewerb sind jetzt bei Häffner-Bräu von Braumeister Wachno 2400 Liter Bier im Sudkessel eingebraut worden, genauestens abgestimmt nach der Menge der Zutaten, Temperatur etc. Hinzu kamen zwischen 25 bis 30 Kilogramm Hopfen, "das ist bald die siebenfache Menge, die beispielsweise für ein Pils benötigt wird", erklärt Thomas Majorosi von der Eichbaumbrauerei.

Deshalb sind die Spezialbiere auch aufwendiger in der Herstellung und im Verkauf auch teurer. "Kein Bier zum Vesper", wie Braumeister Lutz Wirsching erklärt, "das muss man wie Wein genießen". In knapp sechs Wochen wissen die Kreativbrauer, wie "süffig" ihr Gebräu geworden ist - dann stellen sie sich der Jury für des Wettbewerbs.

Bad Rappenauer Kraichgauhalle: Mit Edelstahl soll’s Dach dicht werden

Bad Rappenau. (end) Mit Flachdächern hat man in der Kurstadt so seine Erfahrungen. Und die sind nicht die Besten. Die Flachdächer an kommunalen Gebäuden und Einrichtungen werden mit der Zeit undicht - die Sanierungskosten sind enorm. Zweimal musste beispielsweise beim Rappenauer Kurhaus das Flachdach abgedichtet werden - die Stadt blieb auf stattlichen den Kosten der Reparaturen sitzen. Kein Regress - die ausführende Firma aus dem Osten der Republik gibt’s nicht mehr.

Jetzt ist das Dach der Kraichgauhalle dran. Es wird abgedichtet und mit Edelstahl versehen. Statt das Foliendach über der Umkleide zu flicken, hatte sich der Gemeinderat bereits 2015 für eine "richtige Sanierung" ausgesprochen. Das soll dann auch Jahre halten.

Nach Auskunft der Fachfirma werden Flachdächer früherer Jahre besonders an den Seiten und Abschlüssen undicht. Denn mit der Zeit zieht sich die früher verwendete Kunststofffolie zusammen, die UV-Strahlen der Sonne setzten den enthaltenen Weichmachern und damit der Elastizität der Folie zu. Sie wird auch spröde und damit anfällig für mechanische Beschädigungen. Zeitaufwendig war vor allem die Beseitigung des alten Dachaufbaus, erst danach konnte auf die Lattenkonstruktion das neue Dach aufgebracht werden. Die Edelstahlbeplankung ist über den Umkleideräumen, Nebenräumen und Kraftraum der Kraichgauhalle als Flachdach ausgeführt.

Ursprünglich gab es auch Überlegungen, die Sporthalle mit einem aufgeständerten Pultdach zu sanieren. Das war bei der Kalkulation jedoch die teuerste Variante; Geschätzt wurden die Kosten auf 484.573 Euro. Deutlich günstiger die jetzige Ausführung: Die Firma Schweizer aus Ludwigsburg hatte bei der Ausschreibung hatte mit einem Angebotspreis in Höhe von 192.209 Euro das günstigste von insgesamt sechs Angeboten abgegeben. Außerdem gibt’s eine Förderung aus Sportstättenprogramm des Landes in Höhe von 96.000 Euro - diese Zusage liegt der Stadtverwaltung bereits seit April vor.


Epfenbacher "Roter Ochse": Döner und Pizza statt Rumpsteak und Gans

Von Christiane Barth

Epfenbach. Der "Rote Ochse" hat eine lange Tradition als zentrales und ortsbildprägendes Gasthaus im Ort, vor 304 Jahren begann die Ära der "Ochsenwirte". Jetzt soll eine Döner- und Pizzabude Einzug halten in den einstigen Räumen von Bäckerei und Bistro unter der Gaststube. Im Dezember, so hoffen die künftigen Betreiber, werde wohl die erhoffte Baugenehmigung für die Dunstabzugshaube eingehen, vorher könne man nicht starten mit dem Imbiss.

Seit etwa acht Wochen ist die Küche des "Ochsen" wieder kalt, nachdem Gebäudeinhaber Hartwig Kirsch (Bruder des 2012 verstorbenen "Ochsenwirtes") vor etwa einem Dreiviertel Jahr mit Martinsgans und Rumpsteak - also der gewohnt bürgerlichen Küche - versucht hatte, die Tradition wieder aufleben zu lassen. Doch die Bemühungen scheiterten. Er plane dennoch, auf der Plattform vor dem Gebäude, an dem die Umbauarbeiten für die acht geschaffenen Wohnungen noch andauern, einen "Glasbau" für ein Eiscafé zu errichten sowie aus dem alten Gewölbe darunter ein Weinlokal zu schaffen.

Seit Juli ist das Parterre des Gasthauses an einen Dönerbudenbetreiber aus Schriesheim vermietet: Ferhat Dinc. Dessen Familie betreibt bereits zwei Imbissbuden, in Weinheim ("Fermo") und in Wilhelmsfeld ("Harput"). Viktoria Dinc, die sich "mehr um das Formelle" kümmern will, distanziert sich jedoch von der "klassischen Dönerbude". "Epfenbach wird sehr bald feststellen, dass wir uns abheben von anderen". Dafür sorgten mediterrane Einflüsse von ihrem italienischen Vater. "Man sagt ja immer: Die Türken können keine Pizza und die Kurden keine Nudeln." Bei der kurdischen Familie Dinc soll das anders sein, Viktoria Dinc verweist auf die guten Erfahrungen in den Läden in Weinheim und Wilhelmsfeld. "Bei uns ist außerdem Hygiene ganz wichtig". Für die Dönerproduktion werde nur Scheibenfleisch von Pute oder Kalb verwendet (wohlgemerkt ohne Hackfleischanteil), das im selbst gebackenen Brot serviert werde. "Wir haben seit vielen Jahren Erfahrung in der Dönerproduktion", so Viktoria Dinc. Zutaten wie Gemüse und Salat würden täglich auf dem Großmarkt frisch eingekauft. Bedenken, dass der Standort in Epfenbach das erhoffte Kundenpotenzial nicht hergeben könnte, macht sich Viktoria Dinc nicht, sie rechnet vielmehr fest auch mit den umliegenden Gemeinden als Einzugsbereich für die Imbisstheke. "Wir sind alle Ortschaften in der Umgebung abgefahren und haben das geprüft." Man sei zum Ergebnis gekommen: "Epfenbach ist ein zentraler Punkt". Die tägliche Anfahrt von Schriesheim aus sei ebenfalls kein Problem. In 25 Minuten sei man da.

Allein der Segen des Landratsamtes macht den künftigen Betreibern noch Kopfzerbrechen. Behörden wie Gesundheitsamt und Gewerbeaufsichtsamt müssten erst ihr Okay geben, die beantragte Nutzungsänderung des einstigen Café mit Bistro müsse erst geprüft, der geplante Bau der Dunstabzugshaube (der Lüftungsschaft besteht bereits) erst genehmigt werden.

Der Imbiss soll "Fermo" heißen, Sitzplätze im Innenbereich sowie außen sollen geboten werden. Auf der Speisekarte stehen neben Döner und Pizza auch Nudelgerichte und Salat. Geöffnet sein soll täglich von 11.30 Uhr bis 22 Uhr.

Sinsheim-Dühren: Synagogengiebel geht in Kulturscheune auf

Von Alexander Becker

Sinsheim-Dühren. "Was wird aus unserer Synagoge?" fragt sich derzeit die Interessengemeinschaft "Dührener Synagoge", ein Zusammenschluss engagierter Bürger, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Erinnerung an das mittlerweile nicht mehr existierende Gebäude wach zu halten. 1826 im Fachwerkstil errichtet, prägte es fast zwei Jahrhunderte lang das Ortsbild des Stadtteils, bis es vor gut zwölf Monaten aufgrund akuter Baufälligkeit abgebrochen werden musste. "Ich bedauere sehr, dass wir das nicht verhindern konnten", bekundete mit Dagmar Nerpel eine der Vorkämpferinnen ihren Unmut ob des Verlustes des historischen Sakralbaus.

Im Anschluss verschwieg sie auch nicht, dass man im Grunde durch eine Veröffentlichung in der RNZ zueinander gefunden habe. "Bleibt für alte Synagoge nur der Abriss?" wurde da gefragt, was Dagmar Nerpel seinerzeit ebenso wie das Vorhandensein "eines latenten Antisemitismus" vor Ort mit einem klaren "Nein" innerhalb eines Leserbriefes beantwortete. Allmählich meldeten sich bei der Lehrerin weitere Gleichgesinnte, unter ihnen auch der damalige evangelische Pfarrer Dr. Dietmar Coors, und man beschloss, gemeinsam für den Erhalt der Synagoge zu kämpfen. Der stand in der Tat lange auf der Kippe. 1982 war das zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als ein Jahrhundert nicht mehr als Synagoge genutzte Gebäude (die örtliche jüdische Gemeinde hatte sich 1877 aufgelöst) seitens des Landesdenkmalamtes als erhaltungswürdig eingestuft worden, wobei sich der zwischenzeitliche Eigentümer mit untragbaren Investitionen konfrontiert sah.

Mehrere angedachte Sanierung- bzw. Nutzungskonzepte später - sowohl die inwändige Sicherung der Bausubstanz als auch die Einrichtung eines Kirchturmuhrenmuseums schlugen fehl - gab der Ortschaftsrat schließlich vor gut zwei Jahren grünes Licht für den Abriss. Ortsvorsteher Alexander Speer betonte auf Nachfrage, dass man nur unter der Bedingung dem Abbruch zugestimmt habe, dass der Interessengemeinschaft "Dührener Synagoge" genügend Zeit eingeräumt werde, um Entsprechendes in die Wege zu leiten.

Die war letztendlich reichlich vorhanden, da sich eine Person über den anstehenden Abbruch beschwert und der verantwortliche Entscheider innerhalb des Regierungspräsidiums Karlsruhe gewechselt hatte. Am 30. Juni letzten Jahres wurde schließlich der Abbruch genehmigt und umgehend vorgenommen. Hierbei legte man großen Wert darauf, die markante Giebelwand mit den seltenen Fachwerkbögen für eine spätere Verwendung zu erhalten.

Alle ihre Bestandteile wurden katalogisiert und auf dem angrenzenden Betriebsgelände des Stuckateurs Peter Keil eingelagert. "Er ist ebenfalls Mitglied der Interessengemeinschaft und wir sind sehr froh darüber, dass er uns den nötigen Platz zur Verfügung gestellt hat", betonte Dagmar Nerpel. Auch Ortsvorsteher Speer gehört zu den Mitstreitern und unterstützt die allmählich gereifte Idee, die Giebelwand der Synagoge in eine auf dem Dorfplatz zu errichtende "Kulturscheune" einzuarbeiten. "Es soll ein Gebäude sein, das von vielen Dührener Händen erstellt wird", wünscht sich das Dorfoberhaupt, dem zufolge sich bereits erste Helfer zur Mitarbeit an dem Gemeinschaftsprojekt von Dührenern für Dührener bereit erklärt haben.

Alles in allem strebt man eine vielseitige Nutzung an: während des Dorffestes der örtlichen Vereine, des Martinsumzuges der Fördergemeinschaft der Grundschule, des Himmelfahrtsfestes des Turn- und Sportvereins, der Maifeier des Gesangvereins, für Lesungen, Konzerte und dergleichen.

Finanziert werden soll die "Kulturscheune" durch Zuschüsse und Spenden. Dr. Dietmar Coors hat bereits einige Entwürfe für die "Kulturscheune" anfertigen lassen und wird Details hierzu am Montag, 19. September, um 20 Uhr im Bürgersaal des Rathauses (Karlsruher Straße 54) vorstellen. Dort gibt dann auch der Beauftragte für das christlich-jüdische Gespräch der evangelischen Landeskirche in Baden, Prof. Dr. Klaus Müller (Karlsruhe), einen allgemeinen Überblick zum Umgang mit Synagogen in Baden. Weiterhin nimmt er zu den örtlichen Ideen Stellung und gibt Ratschläge zu deren Finanzierung. Zur Abrundung spielen "I musici di Durina" Klezmermusik, ehe eine Aussprache folgt.

Jetzt endlich kommt die Buslinie zwischen Waibstadt und Bad Rappenau

Waibstadt/Neckarbischofsheim. (kel) Wenn in knapp zwei Wochen die Schulklingeln das neue Schuljahr einläuten, dann signalisieren sie gleichzeitig einen geradezu historischen Aufbruch in eine neue Phase des grenzüberschreitenden Busverkehrs: Nach zehn Jahren des Verhandelns starten mit dem Schuljahresbeginn die Linien 782 und 681 zwischen Waibstadt und Bad Rappenau. Der Lückenschluss überwindet zwar letztlich nur drei Kilometer zwischen Unter- und Obergimpern, stellt aber erstmals eine Querverbindung zwischen den von der Palatina-Bus GmbH und der Regio-Bus Stuttgarter versorgten Linienbündel im nördlichen Kraichgau her. Bisher bildete die Kreisgrenze einen eisernen Vorhang im Busverkehr.

Vor allem für Berufspendler und Schüler stellt die neue Verbindung in den Augen von Oliver Schumacher, Sprecher der Regio-Bus-Muttergesellschaft Deutsche Bahn, eine deutliche Verbesserung dar - auch weil in Bad Rappenau und in Waibstadt ein schneller Umstieg auf S-Bahn bzw. Stadtbahn gewährleistet sei. Außerdem dürften jene profitieren, die die in Bad Rappenau vorhandenen kurstädtischen Einrichtungen besuchen wollen.

Beim Lückenschluss werden jedenfalls keine halben Sachen gemacht. Die Verknüpfung der Buslinien 681 und 782 geht mit einem Stunden-Takt tagsüber von Montag bis Freitag einher. Konkret: Der Bus pendelt bei seiner dreiviertelstündigen Fahrt von morgens 6.46 Uhr bis 17.47 zwischen den beiden Zielpunkten. Die Palatina-Busse der Linie 782 fahren ab 12. September von Waibstadt kommend ab Untergimpern über Obergimpern und Siegelsbach weiter nach Bad Rappenau. Gleichzeitig verkehren die Regio-Busse der Linie 681 über Obergimpern hinaus via Untergimpern und Neckarbischofsheim nach Waibstadt. In Waibstadt besteht Anschluss an die S51 der S-Bahn Rhein-Neckar. In Bad Rappenau kann auf die S42 der Stadtbahn Heilbronn umgestiegen werden.

Billig wird die Verbindung nicht: 90.000 Euro pro Jahr bezahlen die Kreise Rhein-Neckar und Heilbronn den Busunternehmen für die zusätzlichen Fahrtkilometer - zumindest bis Ende 2018. Dann wird man nicht zuletzt anhand der Fahrgastzahlen zu beurteilen haben, ob das Projekt weitergeführt werden soll. Dies entscheidet sich im Zuge der Neuausschreibung der Linienbündel.

Die langen Verhandlungen waren mit den beiden Verkehrsverbünden, unterschiedlichen Konzessionsverträgen und differierenden Finanzierungskonzepten begründet worden. Vor allem Neckarbischofsheim drängte auf den Lückenschluss, der die Stadt und ihren beiden Ortsteile aus der ÖPNV-Sackgasse führen soll.

Bisher machte die Palatina-Route 782 in Untergimperns "Vorstadt" kehrt - nur beim Schülertransport wird in der einen Richtung bis nach Siegelsbach/Hüffenhardt und in der anderen Richtung bis Meckesheim weiter gefahren. Wollte ein Untergimperner beispielsweise mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Bad Rappenau, so blieb ihm nur der zweistündige Umweg via Bus und Bahn über Meckesheim und Sinsheim - oder ein Fußmarsch nach Obergimpern, um dort in den Regio-Bus einzusteigen.

Für den Fahrgast ergeben sich keine tariflichen Änderungen. Von Waibstadt bis Siegelsbach gilt der VRN-Tarif bzw. die Übergangsregelungen zum HNV weiter bis Bad Rappenau. Ab Bad Rappenau aus dem Tarifgebiet des Heilbronner Verkehrsverbunds gelten die Tickets bzw. Bestimmungen des HNV zum entsprechend tariflichen Übergangsgebiet bis Waibstadt.

Vergessene Zwetschgen-Sorte "Bockschelle" wieder entdeckt

Oberderdingen/Eppingen-Rohrbach. (rnz) Liebevoll nennen die Oberderdinger den 82-jährigen Wagner Carl Renz "den letzten seines Standes". Wie zuletzt beim Oberderdinger Jubiläumsumzug bringt er seine herausragenden Berufskenntnisse immer wieder für die Allgemeinheit ein. Seit seiner Stellmacher-Lehrzeit geht Carl Renz wegen der verschiedenen Holzarten mit besonders offenen Augen durch die Feld- und Waldflur. Bei einem seiner Spaziergänge mit seiner Frau Elisabeth entdeckte er an einem wild verwucherten Feldrain auf Oberderdinger Gemarkung die von ihm seit Jahrzehnten vermisste Zwetschgensorte "Bockschelle".

Bei der Verkostung einiger Zwetschgen erinnerte sich Carl Renz wehmütig an seine Kinder- und Jugendzeit, als seine Mutter Sofie köstliche Zwetschgenkuchen der Sorte "Bockschelle" gebacken hat. Manchmal entnahm er sogar den frischen Kuchen direkt aus dem Ofen, was öfters auch mit etwas Bauchweh verbunden war. Natürlich wusste Carl Renz, dass es sich bei dem Namen "Bockschelle" um eine lokale Namensgebung der Sorte für Oberderdingen und Umgebung handeln musste und bat deshalb kürzlich den Pomologen-Verein (www.pomologen-verein.de) um weitere Auskünfte.

Die Lösung brachten die an der Universität Kassel tätige Biologin und Pomologin Annette Braun-Lüllemann sowie der Biologe und Steinobstforscher Dr. Walter Hartmann. Nach Begutachtung der Zwetschgenfrüchte und -steine wurde die Lokalsorte "Bockschelle" als Rote Dattelzwetschge identifiziert. Bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte der Würzburger Hofgärtner Johann Prokop Meyer in seinem dreibändigen Standardwerk "Pomona Franconica" die alte Sorte beschrieben. Leider kommt die festfleischige Sorte mit ihrer eigenartigen Form nur noch selten in Baden-Württemberg vor.

Carl Renz erinnert sich, dass vor Jahrzehnten noch mehrere "Bockschellen"-Bäume auf Oberderdinger Gemarkung standen und sich durch die wurzelechten Bäume durch Bodenausläufer ganze Zwetschgen-Heckenraine gebildet hatten. Die Anfang bis Mitte August reifenden Früchte mit ihrem goldgelben Fruchtfleisch sind saftig und süß und haben einen aromatischen Geschmack. Die purpurrote Frucht ist leicht bläulich bereift und bei guter Reife löst sich der Stein problemlos vom Fruchtfleisch.

Nachdem seine Ehefrau Elisabeth einen leckeren "Bockschellen"-Zwetschgenkuchen wie zu Mutters Zeiten gebacken hatte, entstand bei Carl Renz wieder das tiefe Gefühl von Heimat. Umso mehr als Klaus Rupp vom Obst- und Gartenbauverein Rohrbach durch ungeschlechtliche Vermehrung mittels ruhender Knospen den Bestand der "Oberderdinger" Sorte sicherte.

Eschelbronn: Bürgermeister Marco Siesing möchte eine lebendige Gemeinde

Eschelbronn. (kel) Wer Bürgermeister in einem Schreinerdorf ist, eignet sich wohl über kurz oder lang den branchentypischen Jargon an. "Dicke Bretter bohren" heißt das bei Marco Siesing. Dicke Bretter sind beispielsweise zu bohren bei der Ortsbildverschönerung. Oder bei der Erschließung von Neubaugebieten. Auch bei der Unterbringung von Flüchtlingen.

Und die Stärkung des bürgerschaftlichen Gemeinsinns funktioniert ebenfalls nicht mit dem kleinen Schrauber. Ein gutes Jahr nach seiner Amtseinführung hat der Rathauschef, der übrigens morgen sein 39. Lebensjahr vollendet, zwar sein Handwerkszeug bereit liegen - aber auch noch jede Menge Geschäft vor sich.

Gut Ding braucht eben manchmal Weil. Zum Beispiel die Wohnungssuche für die bald vierköpfige Bürgermeisterfamilie. Unlängst hat sich Marco Siesing eine schickes Einfamilienhaus in der Südendstraße angeschaut, groß genug für eine ganze Fußballmannschaft, "aber zu groß für uns". Nicht erst seit dieser Hausbesichtigung weiß Siesing: Es fehlt an Wohnraum und es fehlt an Bauplätzen vor allem für Familien.

"Die Gemeinde selbst hat überhaupt nichts anzubieten", berichtet er. Früher hatte man kein Geld für eine aktive Immobilienpolitik, heute fehlen die Flächen, deren Verkauf die Gemeindekasse füllen könnte. Siesing will das Thema dennoch angehen und einen "Zug drauf geben", wie er es ausdrückt. Die Frage ist aber vor allem, wo Bauland erschlossen werden kann - und ob die Grundeigentümer mitspielen.

Da ist die Kommune bei den Gewerbeflächen schon einen Schritt weiter. Rund 12.000 Quadratmeter bietet eine Wiese am Seerain, die möglichst schnell baureif gemacht und voraussichtlich ab 2018 zur Verfügung stehen soll. "Interessenten gibt es", ist Marco Siesing optimistisch, dass sich dort auch bald eine Firma niederlassen wird. Die Zuversicht drückt sich auch in der Internet-Verbindung aus, die derzeit in dieses Areal verlegt wird.

Handlungsbedarf sieht der Gemeindechef bei der Quartiersuche für Flüchtlinge. 15 hat man bislang in der Nachfolgeunterbringung untergebracht und damit die vorgegebene Quote erfüllt. Aber im nächsten Jahr wird sich die Zuweisung verdoppeln: "Es ist schwer, etwas für die Leute zu kriegen", weiß Siesing. Und auch hier gilt: Die Kommune selbst hat keinen Wohnraum anzubieten.

Beim Dorfplatz auf dem früheren Streib-Areal scheint indes die Kuh vom Eis: Zwar wird der Gemeinderat am 20. September aufgrund des Einwohnerantrags nochmals die Standortfrage für die Bushaltestelle erörtern, aber der Bürgermeister rechnet nicht damit, dass der bereits verabschiedete Plan noch über den Haufen geworfen wird. Dem kann Siesing durchaus Positives abgewinnen: "Es wird jetzt Zeit, dass es langsam mal losgeht" - zumal der Verkauf des restlichen Teilstücks der Fläche inzwischen auch so gut wie in trockenen Tüchern ist.

"Manchmal", so sinnierte das Dorfoberhaupt beim Besuch in der RNZ-Redaktion, "manchmal hat die Gemeinde verpasst, etwas zu verändern". Zum Beispiel beim Schreinermarkt, einst eine Vorzeigeveranstaltung, dann ziemlich sang- und klanglos verschwunden. Ähnliches gilt für das Ortsbild, in dem zu Teilen die Zeit der 60- und 70er Jahren stehen geblieben scheint. "Es reicht nicht, an Vergangenem zu hängen", sagt der aus Halle/Saale stammende Bürgermeister, der einst zur gleichen Schule wie Hans-Dietrich Genscher ging.

Siesing denkt an eine Art kommunaler "Corporate Identity" zur Stärkung eines Gemeinschaftsgeistes, der das 2600-Seelen-Dorf auf einen fortschrittlichen Kurs bringt. Optisch könnte dazu eventuell ein überdimensionierter Hobel gehören, der an den Ortseingängen aufgestellt wird - Seht her, das ist das Schreinerdorf Eschelbronn, könnte damit bedeutet werden. Oder die Verleihung eines Ehrenpreises für bürgerschaftlichen Einsatz.

Siesing geht es dabei in erster Linie um die Symbolkraft: Je kleiner eine Kommune sei, um so wichtiger sei, dass möglichst viele an einem gemeinsamen Strang ziehen. Dass zur Eröffnung der Kerwe in zehn Tagen erstmals seit Jahren der Musikverein aufspielt, ist immerhin ein Anfang.

Sinsheim: Wann und wie der Burgplatz bebaut wird bleibt unklar

Von Tim Kegel

Sinsheim. Den Burgplatz in dessen Eingangsbereich teilweise wieder zu bebauen - mit diesen Überlegungen tragen sich nach Informationen der Rhein-Neckar-Zeitung Teile des Gemeinderats. Der Burgplatz war zuletzt als künftiger Standort für das Flüchtlingscafé der SAM-Initiative im Gespräch; auch soll dort bis Winter ein Kunstwerk des Sinsheimer Künstlers Paul Berno Zwosta zum Thema "Menschenrechte" entstehen.

"Bebauung - ja und nein", so antwortete Baudezernent Tobias Schutz jetzt auf RNZ-Nachfrage. Fest stehe lediglich, "dass sich etwas tun muss." Die Verwaltung habe vom Gremium den Auftrag, sich mit der Aufwertung des von vielen als kahl empfundenen, weitläufigen Platzes generell zu beschäftigen. Schutz nannte Stichworte wie eine klare städtebauliche Raumnutzung und Sichtkante, aber auch Begrünung.

Kein Beitrag des Rathauses zu erwarten

Dass in nicht öffentlichen Sitzungen über Bebauungsmöglichkeiten diskutiert und "konzeptionell darüber nachgedacht" werde, bestätigt der Dezernent. Allerdings sei, entgegen anders lautender Informationen, kein Beitrag seitens des Rathauses zur Burgplatz-Teilbebauung bei der im Oktober anstehenden Klausurtagung im Rathaus geplant. "Es kann sein, dass der eine oder andere Gemeinderat das gerne ansprechen möchte", sagt Tobias Schutz, nennt eine Baustelle auf besagtem Areal aber Zukunftsmusik.

Dass eine Teilbebauung des Burgplatzes aus Gründen der Anschlussunterbringung von Zuwanderern forciert werde, verneint Tobias Schutz mit Nachdruck: "Das wäre nicht der richtige Ort", zumal mit der Nutzung des Burgplatzcafés durch die Sinsheimer Arbeitsgemeinschaft Migration (SAM) und das eingangs der Dührener Straße geplante "Hoffnungshaus" der mit SAM kooperierenden Hoffnungsträger-Stiftung schon "der Pflock für dieses Areal eingeschlagen" sei. Bei einer Burgplatz-Bebauung müsste außerdem eine Zufahrtsmöglichkeit für die Wochenmarkt-Händler gewährleistet, beziehungsweise der Marktstandort gänzlich neu hinterfragt werden.

Seit 2008 wird der Burgplatz heftig diskutiert

Seit Eröffnung des Platzes im Herbst 2008 wird heftig über dessen Umgestaltung debattiert, nachdem zuvor Pläne von Stadtwohnungen nebst Tiefgarage verworfen wurden. Zuletzt hatte Ex-Bürgermeister Helmut Beck die Örtlichkeit hinterfragt und im Juni vergangenen Jahres den Bau einer Seniorenwohnanlage angeregt.

Wichtigster Grund, jedwede Burgplatz-Umgestaltung hintan zu stellen, sind nach Ansicht der Stadt auch "ein Dreiklang von Plätzen", die in absehbarer Zeit gestaltet werden müssten: Der Karlsplatz, sowie die Vorplätze von Freibad und Stadthalle. Mit Blick auf die Heimattage im Jahr 2020 dränge hier die Zeit, zumal etwa drei Viertel der Flächen im erst kürzlich genehmigten Sanierungsgebiet der östlichen Innenstadt lägen; davon auch etwa die Hälfte des Karlsplatzes. Was das kostet, stehe noch nicht fest, allerdings liefen im Moment Sondierungen; Schutz sprach von "Millionenbeträgen." Dies und auch die dadurch gebundenen Kapazitäten ließen den Burgplatz in der Prioritätenliste sinken.

Was jedoch nicht heißt, dass sich überhaupt nichts tut: Am Tag der Menschenrechte, am 10. Dezember, soll im Rahmen eines Festakts das Kunstwerk eingeweiht werden, das Bildwerker Berno Zwosta gemeinsam mit in Sinsheim lebenden Flüchtlingen und einem anonymen Geldgeber realisiert hat.

Berno Zwosta geht ans (Kunst)werk

Ein Statiker prüfe derzeit die nötige Fundamentierung. Standort des Kunstwerks soll zwischen dem Burgplatz-Brunnen und dem Restaurant sein.

Apfelernte 2016 im Kraichgau: Zwischen Top und Flop

Von Michael Endres

Sinsheim/Eppingen/Bad Rappenau. "Für dieses Jahr ist die Prognose extrem schwierig", sagt Jeanette Schätzle. Denn die Apfelernte in diesem Jahr fällt im Kraichgau regional sehr unterschiedlich aus. "An manchen Bäumen hängen die Äpfel wie im Bilderbuch, ein paar Kilometer weiter fällt die Apfelernte komplett ins Wasser". Schuld an dieser Malaise sind die Wetterkapriolen im Frühjahr, kurzzeitiger Frost und vor allem der blitzartige Wintereinbruch Ende April hat den blühenden Obstbäumen zugesetzt. Ab kommenden Montag, 5. September, startet die Kampagne zur Abgabe der Most- und Saftäpfel im Gebiet des Kraichgau-Raiffeisenzentrums (KRZ). Sprecherin Jeanette Schätzle: "Wir wissen aktuell nicht, welche Mengen uns an Saftobst erwartet, das gab es in der Vergangenheit in diesem Ausmaß eigentlich noch nie".

Zwischen Sinsheim, Eppingen, Bad Rappenau und Wiesloch gibt es derzeit ein sehr uneinheitliches Bild: Auf einigen Streuobstwiesen brechen bereits die Bäume unter der Last der Früchte zusammen, während in anderen Lagen die Apfelernte gerade mal für etwas Frischobst und einen Apfelkuchen reicht.

Auch landesweit wird nach Angaben des Statistischen Landesamtes nach dem enttäuschenden Vorjahresergebnis mit einer noch kleineren Apfelernte gerechnet. Dies wird durch die ersten Schätzungen der amtlichen Obsternteberichterstatter belegt. Ein vergleichbares Ergebnis hatte es letztmals 2010 gegeben. Die Ertragsaussichten der einzelnen Sorten werden unterschiedlich eingeschätzt. Die Gründe für die schlechten Ernteaussichten sind vielfältig und je nach Standort sehr unterschiedlich. Sie reichen von ungünstigem Blüteverlauf mit viel Regen und damit kaum Insektenflug, Frostschäden, gebietsweise Hagel, Alternanz, das ist die natürliche Schwankung des Fruchtertrages im zweijährlichen Rhythmus, bis zur Kirschessigfliege.

Jeanette Schätzle vom Kraichgau Raiffeisenzentrum koordiniert erstmals in diesem Jahr die Obstannahme der Genossenschaft für die sieben Annahmestellen in Eppingen, Bad Rappenau-Bonfeld, Meckesheim, Sinsheim, Hüffenhardt, Kürnbach und Neidenstein, damit die Äpfel der Region zu "leckerem Saft von hier" verarbeitet werden können. Dies erledigen allerdings die Vertragskeltereien wie Falter, Dietz, Jacobi und Kumpf; sie bringen dann den Natursaft auf den Markt. Im letzten Jahr sind bei den genannten Filialen des Kraichgau-Raiffeisen-Zentrums 2590 Tonnen Mostäpfel angeliefert worden. Ausschließlich nur im Raiffeisenmarkt Meckesheim werden Birnen zur Saftherstellung angenommen - "das aber nur an einem Tag", erklärt die Sprecherin. Hintergrund: Die Birnen verderben sehr schnell und müssen umgehend bei den Mostereien verarbeitet werden. Der Termin für die Birnenanlieferung steht allerdings noch nicht fest, "wahrscheinlich Ende September". Letztes Jahr waren es fünf Tonnen Birnen.

Die Kulturlandschaft Kraichgau ist reich an Streuobstwiesen. Da gehört es zur Tradition, dass die Früchte der Natur auch verarbeitet werden. Früher dienten sie hauptsächlich der Mosterzeugung. Die Raiffeisengenossenschaft hat aus der Not eine Tugend gemacht: Hauptsächlich nutzen die Kunden das Obst für ihr so genanntes "Saftkonto". Hier erhält der Lieferant eine Gutschrift, die nachher beim Kauf von Obstsäften und Fruchtnektaren in den Raiffeisenmärkten verrechnet wird.

Es ist aber ebenso möglich, das Obst gegen Bezahlung abzuliefern. "Ob sich das lohnt, muss jeder für sich selbst entscheiden", sagt Jeanette Schätzle "das ist auch eine Frage der Bequemlichkeit". Gesamt gesehen seien die Anlieferungen an den Annahmestellen rückläufig, "von den Jungen will sich doch niemand mehr bücken", sagt sie.

Nach wie vor mischt die Weltpolitik beim Apfelpreis mit, "wir spüren den Preisdruck aus Osteuropa, da gibt es sowieso ein Überangebot". Vor allem bekommen dies die Kleinanlieferer auch im Kraichgau zu spüren. Für 100 Kilogramm Saftäpfel zahlt das Lagerhaus in diesem Jahr fünf Euro, "das ist natürlich sehr unbefriedigend" betont Schätzle. Mehr als drei Viertel der Streuobstanlieferer bevorzugt ohnehin die Möglichkeit des Saftkontingents - also der Gutschrift. Hochgerechnet sei das auch viel lohnenswerter, "das entspricht dann durch den Preisvorteil beim Saft einem Erlös von rund 30 Euro pro 100 Kilo Mostäpfel.

Übrigens rechnet man mit einer Ausbeute von rund 60 Liter Saft je 100 Kilogramm Äpfel.

Die genannten Mostereien, mit denen das Kraichgau-Raiffeisen-Zentrum seit Jahren zusammenarbeitet, garantieren die ausschließliche Verwendung von heimischem Obst, während bekanntermaßen "Discountsäfte" vielfach aus Obstsaftkonzentrat hergestellt werden.

Eine Alternative zur Obstabgabe beim Raiffeisenzentrum bieten verschiedene kleine Süßmoster und Brennereien im Kraichgau. Hier kann man sich gegen relativ geringes Geld Apfelsaft für den Most pressen lassen.


Sinsheimer "Hoffnungshaus" stößt auf Widerstand

Von Tim Kegel

Sinsheim. Gegen das so genannte Hoffnungshaus, das die Leonberger Hoffnungsträger-Stiftung zur Anschlussunterbringung von Zuwanderern in der Dührener Straße/Ecke Hauptstraße plant, regt sich Widerstand. Nachbarn und Wohneigentümer in der Weststadt sind mit dem Rathaus in Kontakt; erste Treffen zur Vernetzung haben bereits stattgefunden. Wie die RNZ erfuhr, gibt es Überlegungen, Rechtsanwälte einzuschalten.

"Warum diese Zentralisierung und warum dieser Ort?", fragt sich eine Nachbarin, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Im multikulturell geprägten Viertel lebende Sinsheimer fühlten sich "immer mehr als Exoten", seien besorgt, dass Glaubens- und ethnische Konflikte der Herkunftsländer importiert werden könnten. Die Ruheständlerin, die früher selbst in der Asylunterkunft Fohlenweide mitgeholfen habe, plädiert für die Unterbringung von Migranten in Kleinstgruppen, verteilt über die Stadt, weil das Integration begünstige: Negativbeispiel wäre die Steinsbergstraße mit ihrem seit Jahren hohen Migrantenanteil: "Ein Brennpunkt." Binnen weniger Monate, so die Frau, seien "Orte in Sinsheim entstanden, wo man sich abends nicht mehr hin traut", wie das Bahnhofsviertel und Teile des Karlsplatzes. Den Hoffnungshaus-Standort hält sie auch wegen fehlender Außenanlagen und dem weitläufigen Schulgelände der Theodor-Heuss-Schule für bedenklich. Ferner biete die zentralisierte Lage "eine Angriffsfläche für rechte Übergriffe."

Die Kritikerin des geplanten Hoffnungshauses, in dem rund 50 Flüchtlinge gemeinsam mit Studenten, Alleinstehenden, früheren Obdachlosen und sozial schwachen Menschen unter einem Dach leben sollen, weiß von Wohnungen, die dem Rathaus zur Anschlussunterbringung angeboten worden wären: "Es gab keine Antwort." Weil die Bauabsichten der Stiftung ausgerechnet in der Sommerferien- und Urlaubszeit und nur auf Nachfrage der RNZ öffentlich wurden, sei der Verdacht entstanden, "dass man Diskussionen von vorn herein vermeiden wollte", mutmaßt die Nachbarin.

Auch Wolfram Immler, der gegenüber des Baugrundstücks ein Autohaus betreibt, sieht das Vorhaben mit Skepsis. Die Flüchtlingsunterkünfte in der General-Sigel-Straße und im früheren Autobahnpolizeigebäude zeugten optisch "von Mentalitätsunterschieden, die man nicht wegdiskutieren" könne. Immler befürchtet, dass "am Tor zur Hauptstraße" prekäre Wohn- und Lebensverhältnisse entstehen könnten, mit dem Verfall des Wohnwerts und des Ladensortiments in dem Teil der Weststadt.

"Natürlich kann man das erst hinterher beurteilen", sagt der Geschäftsmann, "aber sollten wir das Risiko ausgerechnet an der Stelle wagen?" Ein Zweifamilienhaus auf besagtem Grundstück, das nach dem Erwerb durch die Stadt abgebrochen wurde, wäre in Immlers Sicht "geeigneter Gewesen für eine Anschlussunterbringung, die das Viertel auch vertragen kann."

Praxiserfahrung mit dem Hoffnungshaus-Prinzip, das auf enge Zusammenarbeit mit örtlichen Bildungs- und Arbeitseinrichtungen, Migrationsbeauftragten, Sozialarbeitern und Ehrenamtlichen setze, gibt es noch wenig: Die ersten Hoffnungshäuser sind seit wenigen Wochen in Betrieb oder werden gerade gebaut. Laut Homepage der Hoffnungsträger-Stiftung sollen an bislang sechs Standorten Einrichtungen ähnlicher Art entstehen, davon allein drei in Esslingen. Ein Hoffnungshaus im Stuttgarter Rotlichtmilieu bietet Hilfe für ausstiegswillige Prostituierte an. Träger ist die dortige Altpietistische Gemeinde, eine Freikirche innerhalb eines Gesamtverbands, welcher seit dem Jahr 2008 auch den mit 5000 Euro dotierten Hoffnungsträger-Preis für soziales Engagement vergibt.

Die Hoffnungsträger-Stiftung, die im Jahr 2017 in der Dührener Straße bauen will, geht auf Tobias Merckle zurück, Sohn des verstorbenen Industriellen und Milliardärs Adolf Merckle (Ratiopharm/HeidelbergCement u. a.). Adolf Merckle beging im Jahr 2009 Selbstmord während der Finanzkrise. Die Stiftung, die in Sinsheim mit dem freikirchlichen Migrationsprojekt SAM kooperiert, bezeichnet sich nicht als kirchliche Organisation, ihr Handeln beruhe jedoch auf christlichen Werten.

Trotzdem wurden laut Stuttgarter Zeitung im Januar 2015 Missionierungsvorwürfe rund um das Leonberger "Seehaus" laut: Jugendliche Straftäter im offenen Vollzug seien dort zu Gottesdiensten, Andachten und Bibelgesprächen angehalten worden. Viele von ihnen waren Muslime, heißt es in dem Zeitungsbericht.

Die Feige fühlt sich auch im Kraichgau wohl

Von Michael Endres

Sinsheim. "Etwas Positives muss die prophezeite Klimaerwärmung ja haben", freuen sich mittlerweile manche Hobbygärtner. Die milderen Winter und heißen Sommer bescheren dem Kraichgau als "Badische Toskana" zunehmend mediterrane Pflanzen und Früchte.

Neben winterharten chinesischen Hanfpalmen und frostresistenten Kiwis lassen sich in geschützten Lagen im Raum Sinsheim ebenso wohlschmeckende Feigen züchten. Und dieses Jahr ist ein besonderes Feigenjahr: So früh und so viele der leckeren birnenförmigen Früchte gab es noch nie wie jetzt bereits Ende August.

Schuld daran ist der überaus milde Winter, der dem Kraichgau zwischen Dezember und Februar kaum Frost bescherte. Gute Pflege, mit reichlich Wasser und regelmäßiger Düngergabe, ein sehr sonniger Standort und im Winter Schutz vor Frost sind wichtig, sonst klappt es nicht mit äußerst stattlichen Früchten in unseren Breitengraden.

Die Feige lässt sich relativ leicht über Stecklinge vermehren: Im Herbst werden kleine Äste sauber abgeschnitten und dann einfach in gute Anzuchterde gesteckt. Doch Erfolg einer Vermehrung wird nach Erfahrungen der Hobbygärtner mit so genanntem "Bewurzelungshormon" erhöht; im Handel gibt’s das Mittel unter der Handelsbezeichnung "Stecklingspulver".

Eigentlich ist die Feige aus der Familie der Maulbeergewächse im Mittelmeerraum bzw. Asien beheimatet. In Deutschland gibt es außer an der sonnenverwöhnen Weinstraße und dem Kraichgau kaum Regionen, wo sich die mediterranen Gewächse wohl fühlen.

Der bis zu zehn Meter hohe Strauch oder Baum besitzt große, derbe und gelappte Blätter, die ein wenig an Weinblätter erinnern. Die Zweige sind recht dick, die Rinde ist glatt und hellgrau.

Bei der "Frucht" handelt es sich in Wirklichkeit um den Fruchtstand, der aus einer fleischigen, krugartig nach innen gewölbten Blütenstandsachse mit Hunderten von kleinen, im Inneren liegenden schlauchförmigen Blüten bzw. Früchten besteht. Die reife Scheinfrucht der Echten Feige hat eine kugelige bis birnenförmige Gestalt, je nach Sorte ein grünes bis dunkelviolettes Äußeres und ein rötliches, aus den Früchten bestehendes Inneres. Die Befruchtung erfolgt durch eine ungewöhnlich komplexe Symbiose zwischen den beiden Varietäten von Ficus carica, nämlich der Ess- oder Haus-Feige (var. domestica) und der Bocksfeige (var. caprificus) sowie der zwei bis drei Millimeter großen Feigenwespe (Blastophaga psenes). Während die Bocksfeige männliche und weibliche Blüten besitzt, hat die Essfeige nur weibliche, die mithilfe der Feigenwespen durch die Pollen der Bocksfeige bestäubt werden müssen.

Die Domestizierung der Feige setzte schon sehr früh ein und ist höchstwahrscheinlich sogar älter als der Ackerbau. Feigen waren früh ein wichtiger Bestandteil der Ernährung in Mesopotamien, Palästina, Ägypten und Griechenland. Der römische Koch Apicius soll seine Schweine mit syrischen Feigen gefüttert haben, um das Schweinefleisch zur Vollendung zu bringen.

Ob Feigen einmal in größerem Stil angebaut werden, darüber wollen Fachleute noch keine Aussagen treffen. Aktuell liegen keine verlässlichen Daten vor. Problematisch sind vor allem die Winter, denn die Wärme liebenden Pflanzen vertragen keinen strengen Frost. Da aber gerade die zurückliegenden Winter außerordentlich mild und das erste Halbjahr 2016 sehr feucht war, gedeihen die Bäume auch im Kraichgau prächtig.

Ein Phänomen, dass Hobbygärtner gerne übersehen: Die Bäume und Sträucher sterben bei strenger Kälte zwar ab, treiben aber aus der Wurzel nach. Obwohl die heimische Feige immer mehr Liebhaber findet, wird es wohl nicht im Kraichgau zu rentablem Anbau kommen. Sie hat aber im Hausgarten durchaus ihren Platz.

Kindergartenneubau Neckarbischofsheim-Untergimpern: "Die Handwerker stehen alle parat"

Neckarbischofsheim-Untergimpern. (cba) Schön wird’s erst innerhalb der nächsten 14 Tage: Da wird die Glasbauwand in den Kindergartenneubau eingesetzt. Die Haustechnik wurde in den vergangenen Wochen installiert: Wasser, Heizung, Elektro. Es wird eng auf der Baustelle in der Rathausstraße, die derzeit von drei Firmen bedient wird.

Zuspitzen werde sich die Logistik aber erst gegen Ende der Bauphase, wenn bis zu sieben Handwerkerfirmen gleichzeitig am Bau arbeiten, meint Architekt Dieter Baumeister, der seinen Sohn Ralf Baumeister - den eigentlichen Planer des Kindergartens - vertritt. Entlastung für die Parksituation sei erst zu erwarten, wenn das Gerüst abgebaut worden ist. Da die Fassade jedoch möglichst gegen Bauende verputzt werde, um den Wänden Zeit zum Trocknen zu geben, sei vorerst nicht mit Entspannung zu rechnen.

Ein Parkverbot wurde für den Baustellenbereich erlassen, um den Verkehrsfluss in der ohnehin engen Rathausstraße nicht zusätzlich zu gefährden. "Die Anregung kam aus der Bevölkerung", so Bürgermeisterin Tanja Grether. "Klar ist, dass künftig bei Kindergartenbetrieb in die Schulweg ausgewichen werden muss".

Baufertigstellung ist zum Jahresende geplant. "Wenn keine ganz gravierenden Dinge passieren, klappt das", meint der Architekt. Doch man müsse auch mit dem Wetter als Unwägbarkeit Nummer eins kalkulieren. "Wir hoffen jetzt auf einen goldenen Oktober". Denn der Bau, vor allem später der Estrich, benötigen Zeit - und möglichst gute Witterung. "Der Fußboden muss getrocknet sein, damit die Oberfläche sinnvoll aufgebracht werden kann". Wenn man in dieser Phase zu sehr Dampf macht, ist das der Anfang vom Ende". Spätere Schäden wie Schimmelbildung seien dann vorprogrammiert.

Roland Herbold vom Bauamt ist guter Dinge in Sachen Bauzeitplan: "Die Handwerker stehen alle parat". In der nächsten Gemeinderatsitzung (27. September) sollen die letzten Gewerke vergeben werden: Fliesen- und Schlosserarbeiten sowie die Außenanlagen und der Fahrstuhl. Mit der Haustechnik gibt sich der Architekt sehr zufrieden und schwärmt vor allem für die innovative Split-Wärmepumpenanlage, der Kompressor (etwa 1,20 auf 1,60 Meter, 60 Zentimeter tief) wird auf der Außenseite zur Bahnlinie (ohne Fenster) angebracht. Er sei nicht lauter als ein Kühlschrank, versichert der Architekt. Es sei die erste Heizung dieser Art, die die Gemeinde als Ausschreibung auf dem Tisch gehabt habe, betont Roland Herbold. Gebaut wurde mit großformatigem Kalksandstein mit guten schalltechnischen Eigenschaften, ohne Keller, aber mit halbstöckigem Versatz, um das Gefälle des Geländes aufzugreifen. Ob sich das Gefälle am tiefsten Punkt in der Ortsmitte möglicherweise als Problem erweisen könnte? Die Erfahrung beim jüngsten Hochwasserereignis Anfang Juni hat gezeigt: Das Wasser sammelte sich genau an der Baustelle. Zu diesem Stadium war allerdings erst der Rohbau fertig, daher waren die Schäden minimal.

"Das Wasser kam von der Bahnseite", so Tanja Grether. Eine Mauer, jetzt errichtet, soll Abhilfe schaffen. Nach Angleichen des Geländes wird diese 80 Zentimeter hoch sein. Sorgen, dass der Kindergarten von Hochwasser bedroht sein könnte, müsse man sich nicht machen, so die Bürgermeisterin. "Wir haben alles untersuchen lassen, das Landratsamt hat grünes Licht gegeben, da haben wir nichts anbrennen lassen".

Oben, auf dem Flachdach, setzt der Planer auf "natürliche Entwässerung", die durch eine "Gefälldämmung" erreicht wird. Das Gelände ist flächenmäßig ausgereizt. Platz für die Außenanlage gebe es dennoch genug, versichert der Architekt: "Die Vorgaben des Landesjugendplanes sind erfüllt".

Sinsheim: Otto Zimmermann GmbH Platz hat jetzt reichlich Platz für weitere Expansion

Sinsheim. (abc) Seit mehr als einem halben Jahrhundert entwickelt, produziert und vertreibt die Otto Zimmermann GmbH, Am Leitzelbach 8, mit derzeit rund 160 Angestellten anspruchsvolle Kfz-Komponenten für die Automobilhersteller und den freien Ersatzteilemarkt. Deren Lagerung erfolgte bis dato innerhalb dreier werksinterner sowie dreier externer Bereiche, was nicht nur aus Sicht des geschäftsführenden Gesellschafters Holger Keller suboptimal war. "Durch die stabile Entwicklung der letzten Jahre und die prognostizierte Marktentwicklung wurde eine Neuausrichtung unumgänglich", begründete er gegenüber der RNZ die Entscheidung, unweit des bisherigen Standorts ein Logistikgebäude zu errichten. Am Montag wurde dort die Arbeit aufgenommen.

Gefällt wurde die Entscheidung für den Neubau ihm zufolge vor gut dreieinhalb Jahren. Eine rund 30-monatige Planungsphase schloss sich an, in deren Verlauf man ein 24.000 Quadratmeter großes Grundstück von der Stadtverwaltung im Gewann "Riedacker" direkt an der Autobahn A6 (inklusive einer Option auf nochmals die gleiche angrenzende Fläche) erwarb. Dort bot sich dem Geschäftsführer zufolge die letzte Möglichkeit, in unmittelbarer Nähe des bisherigen Standortes zu expandieren.

Anfang Juli vergangenen Jahres wurde mit der Umsetzung des Großprojektes mit einem Investitionsvolumen von mehr als zehn Millionen Euro begonnen, das eine 8000 Quadratmeter große und 15 Meter hohe Logistikhalle mit sechs Be- und Entladerampen umfasst, in der Platz für 13.000 Paletten und 1,5 Kilometer Fachbodenregale ist.

Im August stand der Umzug an, wobei nach erfolgreichem Probebetrieb innerhalb weniger Tage 8500 Paletten in das neue Logistikzentrum transportiert werden mussten. "Schätzungsweise sind das um die 300 Lkw-Ladungen gewesen", überschlug Holger Keller den Umfang der nötigen Warenbewegungen und unterstrich weiterhin, dass das neue Logistikzentrum ein klares Bekenntnis zum hiesigen Standort sei: "Jetzt befinden sich Produktion und Logistik komplett an einem Ort. Alles ist für die geplante Erweiterung unseres Produktsortimentes auf 6000 verschiedene Bremskomponenten ausgelegt, das heißt Wachstumsreserven sind für mindestens 80 Prozent Expansion vorhanden."

Neben der kompletten Lagerfläche wurde auch die Sachverwaltung in das Logistikzentrum verlegt. Derzeit 25 Mitarbeiter sorgen dort ab sofort dafür, dass über sechs Be- und Entladerampen alle Bestellungen pünktlich an überwiegend mittelständische Kunden in aktuell rund 60 Ländern verschickt werden. Diese schätzen nach Auskunft des geschäftsführenden Gesellschafters vor allem die hohe Qualität der unter dem geschützten Markennamen "Zimmermann" vertriebenen Komponenten.

"Billig-Konkurrenz ist für uns kein Thema", bekräftigte Holger Keller den Willen, den Erfolgskurs des tarifgebundenen, vor mehr als fünf Dekaden gegründeten Unternehmens bis in die dritte Generation hinein fortführen zu wollen.

Burgplatz-Kunst in Sinsheim: Einfach alles nur "abartig"

Von Tim Kegel

Sinsheim-Dühren. Da macht man einen ganzen Morgen mit einem Künstler im Atelier rum - und am Ende ist der Künstler gar nicht da: "Rot? Oder Blau? Doch besser Gold?" Zwosta gibt den Entnervten: "Na der ist gut, Du! Hat ja seine Deppen, der Künstler, die können die Arbeit machen. Und wenn man ihn mal was fragen muss, ist er nicht da. Der hockt nur noch rum, mit seinen Musen. Abartig."

Trotzdem ist es geschafft: Im Hof zeugt davon ein Haufen Sägespäne, knietief. Das "Sommerinterview auf der Menschenrechtsbank", die bald mit anderen seiner Stelen auf den Burgplatz wandert, wird dann aber doch auf den Balkon verlegt: Bei Käse und Lachs geht es um die Petersburger Hängung, ums Wesen von Kunst, um Kommunalpolitik, die KSK und um Abartiges. "Abartig" ist eine Art Lieblingswort von Paul Berno Zwosta, das er wahlweise als Lob oder Tadel benutzt: Die Peterburger Hängung - eine Anhäufung von Kunst und Sogenanntem, die durch Masse die Grenzen von Gut und Schlecht auflöst - ist "abartig", Trump sowieso, Hillary auch, Burkaverbot und Patriarchat, Galeriensnobs, Volvos und bunte Trekkingschuhe sammeln, Parfüms der 80er-Jahre und Mädchen mit Fuchsgesichtern. Alles abartig.

"Abartig" heißt, dass Zwosta sich freut, ärgert, staunt und einiges anderes. Blau kann abartig sein. Mit Gasbrennern Autolack ins Holz brennen, Stelen mit Schleifern, Flexen und Hohlbohrern bearbeiten. Oder wenn sie "nicht müde werden, den Hundertwasser-Vergleich rauszuholen." Das ist in etwa so, als vergleiche man Literaten, weil sie mit dem Wort hantieren, oder Gitarristen mit Bassisten. Der einzige Berührungspunkt ist eine gewisse Buntheit. Patrick "Patsec" Eckert, Webmaster der Homepage des gebürtigen Konstanzers, hat Zwosta einmal als "subversiv und kontrabunt" beschrieben. Das passt.

Nach Hans-Michael Frankes und Bernhard Münchs Tod und dem Weggang einiger weniger weiterer aus der Gegend, ist Zwosta mit Fug und Recht Sinsheims letzter Profikünstler; Broterwerb, KSK-Mitgliedschaft und Sendungsbewusstsein inklusive.

So liebt es Zwosta, Zeitgeschehen zu kommentieren, zu albern, zu mahnen, zu raufen und zu streiten; freut sich diebisch, wenn er nicht dem Spaßvogel entspricht, den manche in ihm sehen, die in Dühren auf der Abendrunde durchs Dorf "beim Künstler vorbeischauen": Zwosta nennt seine Besucher dann "Alter Ägypter", "Letzter Streiter des Proletariats", "Osmane" oder "Beutlin". Und die Werkstatt, wo die Werke in einem Zweidrittelmix aus akribischer Planung und Spontaneität entstehen, ist so abartig sauber und strukturiert, dass man vom Boden essen kann.

Sein aktuelles Kunstwerk zum Thema Menschenrechte soll den Burgplatz in die "Jahrtausende ealte Tradition menschlicher Kultstätten und heiliger Plätze" stellen, Tradition und Heimat reflektieren. Den gültigen Traditions- und Heimatbegriff sieht der "bekennende Spießer" zu einseitig im 19. Jahrhundert verhaftet. Bei der Einweihung seiner "Bruchheit" am Sinsheimer Synago-genplatz warn-te Zwosta einst vor den Gefahren "geistigen Schiffbruchs" im Umgang mit Fremden und aufkommender Deutschtümelei. Die damals viel beachtete "Bruchheit" verschwand spurlos: Kunstdiebstahl? Unachtsam entsorgt? Einfach mal mitgenommen?

Pikant für heitere Landstädtchen, den Orten, wo man Zwosta-Kunst zumeist antrifft: Augen und Mün-der kennzeichnen Zwostas Bildwerke, die nach 20 Jahren in Sinsheim und 40 Jahren als "Maler und Bildwerker" düsterer geworden sind, haptischer und technisch ausgereift.

Sie sind vollgepackt mit subtilen erotischen, religiösen und heidnischen Botschaften, mit Insidergags und Literaturbezügen, Anspielungen auf Menschlichkeiten, rauen Elementen und auf schroffen Untergründen. Man findet den 60-Jährigen in Schulen, Gemeindehäusern, Kirchen; als Stelenpfade in Städten und auf Bergeshöhen, munter im süddeutschen öffentlichen Raum verteilt; bei Kunstsammlern und auf Türen und Fensterläden seiner Freunde, Berater und Gönner bis ins Bodensee- und Schweizer Gebiet: Lange Jahre war Zwosta Chef der Requisite am Konstanzer Stadttheater, zeitweise unter Ingmar Bergmann, noch so einem "Abartigen".

Und schließlich: Als Do-it-yourself-Projekte von Heimwerkern in Nachbardörfern. Es macht ihm nichts aus, dass seine Kunst kopiert wird: Aufforde᠆rungen zu Menschlichkeit, Friede und Freiheit - eine Eigenschaft, die allen Zwostas zueigen ist - kann es doch eigentlich nicht oft genug geben. Zum Tag der Menschenrechte im Dezember soll Zwostas Kunstwerk auf dem Burgplatz eingeweiht werden. "Wenn der Künstler nur dann mal wieder da ist ... ."

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